„Bumm Chakalaka“

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Mrz 28, 2018

Schlaumeier informieren sich vor einer Reise über alle Do´s and Don’ts, Reisezeiten und Hürden, die man überwinden muss… vor allem mit Kindern.

Besserwisser wie wir haben das natürlich auch gemacht, aber nur mit 3 Monaten Vorlaufzeit und sich darauf verlassen, dass eh alles anders kommt als man denkt. Hinzu kommt natürlich auch, dass Mann und Frau unterschiedliche Schwerpunkte haben, sowohl körperlich als auch bei den Dingen, die einem wichtig sind auf solch einer Reise.

Unsere wichtigsten Lektionen/Hilfsmittel der letzten 7 Monaten:

Einer für Alles
Kabelbinder – Dein Weg zur Glückseligkeit. Was man damit alles an-, ab-, zu- und umbinden kann ist der Hit.
Ducktape – hat nix mit Donald Duck zu tun, hält aber zusammen wie Tick, Trick und Track.

Kinder als Reisegefährten:
Endschleuniger!  Haben viel Sinn für die einfachen Schönheiten am Wegesrand.
Wir trainieren zusammen „Leichtigkeit“ und akzeptieren, dass jeder ein Recht auf Veto hat.

Reiseapotheke
Pflaster/Verband Arnika und Propolis Tinktur – bestes pflanzliches Antibiotika.
Mehr haben wir bis jetzt nicht gebraucht. Ausserdem gibt es wunderbare Heilpflanzen auf lokalen Märkten.

Wichtigstes Küchen-Utensil
Schnellkochtopf! Reis, Kartoffeln, Nudeln, Linsen, Bohnen, Kichererbsen, Eintopf, Curry… Gas und Geruch sparend. Unser Herzstück –  nie wieder ohne!

Backofen
Braucht es für uns nicht. Wir haben lange Zeit auf Brot verzichtet und uns dafür mit Genuss auf das erste gekaufte „Vollkornbrot“ gestürzt.

Klo im Camper
War unserer Meinung nach immer uncool. ABER, Meinung geändert! Wir lieben unser Klo. Besonders an arschkalten Tagen, auf über 5.000 Metern, wenn´s regnet, nachts um drei Uhr, im Stau….. oder wenn Montezumas Rache…. Ausserdem müssen wir mit rümpfender Nase zugeben, dass nicht alle Zeitgenossen dieser Erde ihren „Auswurf“ vergraben, geschweige denn ihr „Papieren“ verschwinden lassen. So manch paradiesischer Platz hatte ein leichtes „gschmäckle“!

Landesgrenzen
Nicht vor oder während des Wochenendes passieren. Es sei denn man hat eine Engelsgeduld.

Mechaniker
Niemals alleine am Auto schrauben lassen und ein Auge auf die ausgebauten Ersatzteile werfen. Deutsche Ordentlichkeit hilft beim Wiedereinbau. So mancher Bestandteil unseres Autos hat nach der Reparatur entweder gefehlt oder war noch übrig.

PolePole
Uhren ticken zwar in Südamerika langsam, aber dennoch schneller als in Afrika. Auch hier wird noch richtig repariert und nicht wie in unserer Wegwerfgesellschaft einfach ausgebaut und ausgetauscht. Am Ende wird scheinbar Unmögliches doch möglich gemacht.

Comida tipica
Nicht alles was landestypisch ist, muss probiert werden. Das verkokelte, auf dem Rücken ausgestreckte Meerschweinchen, welches wir mutig zu Mittag bestellt hatten, haben wir nicht runter bekommen. Zur Wiedergutmachung haben wir  2 kleine Kuschel-Meerschweinchen aus weichem Alpakafell gekauft.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Vertraue nicht den überschwenglichen Restaurantkritiken. Der von „Tacos & Tequila“ schwärmende Kritiker scheint im Tequilarausch nicht bemerkt zu haben, dass die Bohnenpampe zwischen dem labbrigen Taco in der Mikrowelle aufgewärmt wurde und soviel mit Mexikanischem Essen zu tun hatte wie Neuschwanstein mit Machu Picchu.

100% Plastikfrei
Nicht so einfach auf Reisen. Wir benutzen zwar zu 80% das Wasser aus unserem Tank, welches wir auf Camps, in Hostels oder an Tankstellen nachfüllen. In den meisten Ländern wird das Trinkwasser jedoch stark gechlort. Für Tee und Suppe haben wir doch zur Flasche greifen müssen.
Der Plastiktütenflut in Super- und auf Bauernmärkten kann man nur mit hartnäckig hingehaltenen Beuteln zuvorkommen.

Pestizide
Die großen „Pflanzenschutz-Ertragssteigerungs- aber Gesundheitsvernichtungs“-Konzerne scheinen hier noch weniger Gegenwind als in Europa zu haben. Ich kann verstehen, dass jeder Kleinbauer motiviert ist, seinen Ertrag zu steigern, aber die Tragweite dieses Pestizid-Missbrauchs wird ihnen leider nicht klar sein. Es gibt eine beeindruckende aber sehr traurige Fotoreportage über den Norden Argentiniens, der zeigt was mit uns passiert, wenn wir dem Profitgedanken ausgeliefert sind. Der PabloPiovano.com zeigt „THE HUMAN COST“  im Willy- Brandt-Haus, Berlin

Übernachtungsplätze und Nachtruhe
Vom Stadtzentrum bis zum Strandidyll und von der kargen Bergspitze bis ins grüne Dschungeltal – jeder Platz hat seine eigene Energie.
Die Prollautos in Deutschland können den „tiefer, breiter und lauter“-Autos aus Südamerika nicht das Wasser reichen. So manche Nacht haben wir schlaflos und im Takt wippend der einen oder anderen „Bum Chakalaka Gang“ um uns herum gelauscht und am nächsten Tag auf Spotify nach dem Lied gesucht. Der SüdamerikaSound ist einfach cool!

…. und so könnte es weiter gehen. Manche Erkenntnis erschließt sich erst nach ein paar Tagen oder Wochen, aber das große Ganze ist jeden Tag zu spüren: Die Welt im Kleinen ist so viel netter als wir in den Nachrichten jeden Tag aufbereitet bekommen.  

Die letzten Monate sind verflogen. Wir sind viel gefahren. Durch beeindruckende Landschaften, atemraubende Höhen und schweißtreibende Tiefen und Pfade. Enge Gassen haben Stefans Fahrkönnen herausgefordert und in den unmöglichsten Situationen mussten wir einen Gang zurück schalten.

Wir sind eingetaucht in die Geschichten zahlreicher Kulturstätten verschiedener Epochen. Die vielen Fragen der Kinder, ihre Hörspiele und ihre unbändige Energie haben uns manches Mal zum Wahnsinn oder zum Lachen gebracht, aber vor allem gezeigt, dass Kinder noch viel von dem haben, was uns Erwachsene im Leben abhandenkommt. Und sie haben uns nochmal die Augen geöffnet, dass sie das Beste sind, was uns im Leben geschenkt wurde. Auch für diese Erkenntnis braucht es natürlich keine Reise, aber mit ihnen die Reise zusammen machen zu können hat uns schon so viele spontane und überraschende Situationen und sehr glückliche Momente beschert. Wir sind ihnen dafür unendlich dankbar.

Vieles was am Anfang noch etwas wurschtellig und gewöhnungsbedürftig war, läuft jetzt routiniert. Wir schlafen am Besten im Bigfoot. Wir essen am liebsten „selbstgekocht“- ob von uns oder den einfachen Straßenständen. Der Tag wird nicht mehr durchgeplant, sondern folgt seinem eigenen Rhythmus je nach Ort oder Laune. „Planänderungen herzlich willkommen“. Auch wenn nicht 100% Bio kaufen wir nach wie vor am liebsten auf den lokalen Märkten ein. Wir lieben die Stadt, Museen, Plätze, Stadtführungen, aber unser Herz schlägt am stärksten für die Berge, die Seen, das Meer …. für die endlosen Abenteuer.

Mir fehlt oft die Motivation etwas mehr Sport zu machen. Es gibt herrliche Entschuldigungen dafür: Boden zu dreckig für Yoga, Erde zu matschig zum Joggen, zu viele Leute drum herum. Ich alter Sport- und Ernährungsapostel muss an so manchem Tag mit meinen eigenen Dämonen kämpfen. Auf der Reise, wo wir uns immer wieder neu orientieren müssen.

Unsere Ernährung hat sich drastisch verändert: von Land zu Land, schleichend aber wieder in unsere alte Richtung. Vegetarisch. Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, viel roh. Kaum konvenient. Weil es einfach keinen Quark oder Joghurt ohne Zucker gab, haben wir fast alle Milchprodukte eliminiert – Butter, ein bisschen Käse und Kaffeemilch sind übrig geblieben. Nach den kilometerlangen Hühnerfarmen haben wir die Eier stehen lassen und die Hühner vom Speiseplan gestrichen. Schwein war sowieso schon tabu. Wir haben uns auferlegt nur den selbstgefangenen Fisch zu verspeisen. Leider sind unsere Angelversuche bis jetzt ergebnislos geblieben und nach wie vor ist unklar, wer bei Erfolg dem Fisch den Gar ausmacht. Wir sind nicht pedantisch. Jeder entscheidet für sich selbst im Restaurant, beim Einkaufen entscheidet die Chefin. Wir haben eine drastische Veränderung gemerkt. Es geht uns so gut wie nie zuvor. In Bolivien und Peru haben wir vor allem die Vielfalt an Früchten und frischen Gemüsen in vollen Zügen genossen. Auf dem einen oder anderen Fischmarkt haben wir dennoch eine frische Ceviche genossen und mit Schrecken zugeschaut, wie den riesen Krabben bei lebendigem Leibe die Eingeweide rausgezogen werden. Noch nie in unserem Leben haben wir gemeinsam so viel über Tiere, Respekt, Ernährung und Umweltschutz geredet und gelernt. Ich bin mir sicher dass sich zu hause wieder ein paar Gewohnheiten ändern werden, individuell, aber die richtige  Einstellung haben wir uns auf natürliche Weise erarbeitet. (Stefan freut sich schon auf ein gescheites Asado in Argentinien….)

Hätten wir einen Hänger, er wäre voll mit Strassenhunden und Katzen, die uns mit flehenden Augen angeschaut haben. Stefan hat uns in mancher Situation zur Vernunft gebracht, sonst würden wir auf alle Fälle mit einer kleinen Katze aus Santiago und einem Welpen aus Hornopiren nach Hause kommen.

Mittlerweile sind wir in Chile und geniessen das Land in vollen Zügen. Ich sag nur: Alte Liebe rostet nicht…

 

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Kann man sich näher als nah kommen?

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Feb 11, 2018

Es passiert jeden Tag viel. Begegnungen. Landschaften. Unterhaltungen. Und dazwischen sind wir. Jeder für sich. Wir alle zusammen. Manchmal, wenn auch selten, hängen wir unseren Gedanken nach. Es gibt viel zu erfragen, zu erkunden, zu lesen. Wir sind hier zusammen und zusammen gehen wir durch dick und dünn. Und auch wenn ich alle manchmal zum Kuckuck wünschen wollte, so bin ich doch beeindruckt und auch stolz darauf, wie sehr wir es schaffen, alles so friedlich zusammen zu meistern. Vor allem vor dem Hintergrund, dass so manch eine Situation nicht einfach auszuhalten ist. Und von so einer will ich jetzt erzählen. Zwischen diesem Ereignis und heute liegen ja Wochen,  Bildwelten, Emotionen, aber diese eine Situation hat uns alle gleichermaßen betroffen.

Wir haben einen wunderschönen 3-Tages-Trek von La Paz ausgemacht. Der Takesi-Trail. Landschaftlich ein Traum. Leider konnten wir keine Mulis mieten und mussten unsere schweren Rucksäcke inklusive Zelt, Isomatten, Schlafsäcken und Essen selbst tragen. Rauf auf 4.600 Meter. Runter durch beeindruckende Wiesen, auf aus Stein gepflasterten Inkapfaden und an Seen vorbei.


Fernab von der Zivilisation oder genauer gesagt ein paar Fußstunden entfernt. Nachts mit Regen und Schnee. Stefans Geburtstag um 3.30 Uhr nachts mit Stollen und Lampion gefeiert. Bisschen gefroren.



Tapfer gelaufen. Stundenlang bergab. Eine tolle Familie kennen gelernt mit 4 Jungs, die irgendwo am Hang wohnen. 3 Stunden Fußmarsch bis zum nächsten Ort entfernt.

Mit Muskelkater am letzten Morgen aufgewacht. Fertig, aber glücklich. Schmerzende Schultern, aber glücklich.

Und dann wollten wir am nächsten Nachmittag einfach nur diesen einfachen Bus nach La Paz zurücknehmen. Eine andere Möglichkeit hätte es nicht gegeben. Anfänglich haben wir noch gelacht über die harten Federn. Luis, Felix und ich in der letzten Reihe, Stefan auf dem Ersatzsitz davor nebst 12 anderen Erwachsenen und einem weiteren Kind.

Wie gesagt, am Anfang haben wir noch darüber gescherzt, dass es eine holprige Fahrt wird. Aber kurz danach ist uns das Lachen im Hals stecken geblieben und unser Leben am seidenen Faden zum Absturz bereit gewesen. An Stefans Gesicht konnte ich erkennen, dass es ihm auch nicht zum Scherzen zumute war.

Die Straße: unbefestigt, schottrig, ohne Leitplanken. Max. 1,5 Autos breit.
Links der Berg, rechts ein paar hundert Meter tiefer Abgrund.

Der Fahrer: auf der Flucht. Mit rutschenden Reifen, stets mit dem Hinterrad knapp am Abgrund vorbei.
Schnell. Waghalsig. Lebensmüde.

Selbst Luis, der als Kind ja oft die Gefahr noch nicht abschätzen kann, sagte, dass er totale Angst hätte. Wahrscheinlich hat er an meinen harten Griff um seine Schultern gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Es gibt wenige Momente in meinem Leben, wo ich wirklich richtig dolle Angst hatte, aber diese Stunde Fahrt am Rande des Abgrundes hat mich fertig gemacht. Felix hat sich auf meinen Schoss gelegt, um nicht rauschauen zu müssen. Stefans Gesicht war stark gestresst. In einem gefassten Moment habe ich von hinten nach vorn geschrien, dass er verdammt nochmal langsamer fahren soll. Und nachdem sich auch mein Vordermann zu mir umgedreht hat, um mir zu signalisieren, dass es leider immer so rasant zu geht auf diesen Fahrten, kam mir auch wieder in den Sinn, dass uns Gert, der deutsche Stadtführer aus La Paz, von diesen abenteuerlichen Fahrten berichtet hat. Auch in den Reiseführern wird davor gewarnt, weil es immer wieder zu schlimmen Unfällen kommt.

Das alles hatten wir einfach vergessen.

Und dann habe ich nochmal meinen ganzen Mut zusammengenommen und den Fahrer angeschrien, er soll jetzt endlich langsamer fahren, weil er für 12 Erwachsene und 3 Kinder die Verantwortung trägt. „Wir haben hier hinten Angst, verdammte Scheiße“!

Und dann hat er sich besonnen. Die Fahrt entschleunigt. Dann kam endlich die Asphaltstrasse.

„Selbst schuld, wenn ihr Euch auf so ein Abenteuer einlasst….“, hör ich es da aus dem Universum rufen. Klar, wissen wir auch, aber damit hatten wir einfach nicht gerechnet. Es hätte auch keine andere Möglichkeit der Rückkehr gegeben.

Eines steht fest: wir steigen nie mehr in so einen „fucking“ Kleinbus ein.

Dieses Erlebnis und dass wir in dem einen Moment alle gleich gefühlt haben, hat uns noch ein bisschen näher als nah gebracht. Ohne Angst und Scham haben wir geweint, uns gehalten, die Augen zusammen gekniffen vor Angst und uns vor Erleichterung nach dem Aussteigen umarmt.

Heute, am Tag an dem ich diesen Beitrag schreibe, fast 2 Monate später, erfahren wir, daß oberhalb von Lima ein Bus mit 48 Menschen in den Tod gestürzt ist. Auf den Strassen Boliviens und Perus säumen Kreuze die Strassenränder. Nicht wie bei uns in Bayern mal eines oder zwei. Zumeist sind es mehrere, die davon zeugen, dass hier wieder ein Bus über die Klippen gesprungen ist, ein Fahrer in einer unübersichtlichen Kurve überholt oder eingeschlafen ist. Und wenn ich jetzt noch erzähle, dass wir vor 4 Wochen ein Erdbeben der Stärke 7,3 in unmittelbarer Entfernung miterlebt haben, dann könnte man wieder sagen: „Was fahrt ihr aber auch in solche Länder?“.

Im Nachhinein können wir darüber lachen. An dem Tag bin ich blass und mit schlotternden Knien aus dem Bus ausgestiegen.
Fast so wie damals in Costa Rica, als ich mit 2 Freunden und einer kleinen Propellermaschine notlanden musste. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir in Europa an so vielen Stellen so unbekümmert hätten übernachten können. Abgesehen von dem Fahrverhalten, sind uns die Bolivianer, die Peruaner und die Chilenen sehr wohlgesonnen gewesen. Unglaublich Kinderfreundlich. Hilfsbereit. Interessiert.

Das Abenteuer geht weiter!