Von Männern, Motorhomes und Plastik-Rindern

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Sep 24, 2017

Ein ganz besonderes Highlight unserer letzten Etappe habe ich unterschlagen. Die letzte Nacht vor unserer Canyontour haben wir in Praia Grande übernachtet und sind bei der Suche nach einem passenden Schlafplatz von einem freundlich winkenden Herrn auf einen Festivalplatz eingeladen worden. Was uns da erwartete war wirklich skurril. Mindestens  200 abgefahrene Motorhomes.

Wir sind aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen. Spacige Wagen, einige klein und fein, andere mind. 10 Meter lang.
Originale aus den 70ern,  einige mit Hightech-Ausstattung, andere wiederum in schönem beige-gelb-braunem Retro Design.

„Lieber Torsten E., wir haben ganz besonders an Dich hier denken müssen – ein Traum.“

Witzigerweise haben wir 2 nette Reisende aus unserem Nachbarort Murnau getroffen.
Cornelia und Stefan Wedel. Die Welt kann so klein sein.

Am beeindruckensten war aber der auf dem Gelände stattfindende „Gaucho-Wettbewerb“.
Wir haben zum Glück nur die Abendstunden Stunden miterlebt, aber wie uns gesagt wurde, hat der Wettbewerb bereits morgens früh angefangen.
Wenn ihr euch den Film anschaut und dem Mann am Mikro lauscht, könnt ihr Euch ein wenig eine Vorstellung machen.
Wie auf einer Auktion wurden die Teilnehmer angefeuert ihre Lassos im Galopp der von einem Motorrad gezogenen Rinderattrappe um die Hörner zu werfen. Soweit wir das verstanden haben galt das k.o.-Prinzip und die Männer haben ihre Jobs echt gut gemacht.

Fette Autos, starke Männer, schnelle Pferde, weibliche Zuschauer – darauf haben wir erstmal ein kühles Bier getrunken.

Vom Regen in die Traufe

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Sep 20, 2017

In Höhe der Küstenstadt  Torres zieht es uns in die brasilianische Bergwelt mit sattgrünen Canyons. Auf über 1.000 Meter überblicken wir die Nationalparks von Itaimbezinho und Fortaleza und übernachten unter sternklarem Himmel neben einer Absprungrampe für Gleitschirmflieger.

Am nächsten Morgen kommt mit dem Wind auch Blitz, Donner und Regen und zwingt uns zu einem überstürzten Aufbruch, den Luis, um den wohlverdienten Schlaf gebracht, erst mal nicht verzeihen kann. Die weiter führende Straße wird durch Bauarbeiten blockiert und wir müßen ein langes Stück schwer zu befahrende Piste zurückkehren – für uns 4×4  Freunde kein Problem. @Clemens: „Wir trainieren schon mal “

Der einsetzende Regen und dichter Nebel erhöhen den Adrenalinspiegel aber nicht unbedingt die Stimmung.  Sehr spitze Steine und tiefe Löcher machen es unserem Bigfoot nicht besonders leicht, aber mit Gefühl erreichen wir die nächst größere Ortschaft.

Wie geht’s nun weiter?  Stefan vertraut am liebsten der Navigationstechnik, ich bevorzuge die Landkarte und während wir noch über den Abzweig sinnieren, merken wir, dass das Fahrgefühl irgendwie nicht stimmt. Stefan hält an, läuft ums Auto und ich sehe das Desaster schon im Außenspiegel: ein Platten hinten rechts. Für die Jungs ein Abenteuer für uns eine ziemliche Kurbelei am Wagenheber. Highlander zeigt dass er seine Hausaufgaben gemacht hat und nach kürzester  Zeit haben wir das Rad ausgetauscht und legen einen kurzen Pit-Stop beim Ferrari-Service-Team um die Ecke ein. Reifen Check-up!

Wir haben Glück. Es ist nur ein Loch, welches schnell geflickt ist. Felix streichelt unseren Bigfoot! Es ist immer wieder schön zu sehen, wie anders Kinder mit Situationen umgehen. Wir können einiges von ihnen lernen, wenn wir denn aufmerksam genug sind.

Diese saftig grüne Gegend, mit ihrem fruchtbaren Boden gefällt uns sehr gut. Sie ist etwas wilder als die Küste und der Wald gibt sich schon etwas dschungelartiger. Sehr ursprünglich. Da das Wetter aber kühl bleiben soll nehmen wir die Etappe hinunter nach Florianópolis, der attraktiven Küstenstadt mit ihren 100 Strände, in einem Tag. Dort treffen wir auch Tina und Daniel mit ihren 3 Mädels wieder.

Wie und wo?
Das ist eine andere Geschichte, die ich später erzählen werde.

Zusammen ist man weniger allein

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Sep 17, 2017

Wir haben den Absprung geschafft. Raus aus den Werkstätten und an der Küste entlang Richtung Norden nach Brasilien. Uruguay hat sicherlich noch vieles zu bieten, deswegen kommen wir bestimmt zu einer anderen Jahreszeit wieder.

Die ersten Tage unterwegs sind schnell vorüber. Wir haben uns eingelebt, aneinander vorbei gequetscht, standen uns im Weg und auf dem Fuß, haben Sitz- und Schlafpositionen getauscht, Meinungen in den Raum gestellt und diskutiert, geflucht und gelacht, uns nach Hause oder dahin gewünscht wo der Pfeffer wächst und nach 3 Tagen festgestellt: wir sind unterwegs. Das Auto läuft. Die Temperaturen werden wärmer. Es geht uns gut. Wir sind dankbar, dass wir zusammen hier sein dürfen.

Der Küstenstreifen im Süden Brasiliens ist touristisch nicht besonders überfüllt im Winter, für uns deswegen ein wunderbarer Einstieg. Unser Ford schwimmt auf der Straße und hüpft über jede Bodenwelle. Die Kinder sitzen mit Stefan vorne in der Kommandozentrale und ich mache das Catering aus der 2. Reihe. Auf unbefestigten Wegen genießen wir vorne zu viert die Aussicht – das gefällt uns natürlich am besten. Auch wenn ich dann als gemütliches Sitzpolster benutzt werde.

Wir testen unsere Nerven beim wild Campen noch mehrmals und setzen bei Rio Grande mit einer Fähre auf eine sich endlos hinziehende Landzunge über. Nach einer langen Etappe auf einer schnurgeraden Straße durch schwedisch anmutenden Wäldern, biegen wir links nach einem verbogenen Campingschild ab und landen nach 10 Minuten im Vorgarten einer äußerst herzlichen Familie. Manchmal stimmt das Gefühl sofort. Hier bleiben wir 2 Tage.

Stefan sucht und findet noch ein paar Dinge die „unbedingt“ repariert werden müssen.

Ich genieße einen ganzen Tag in der Hängematte mit Kopfkissen und Bettdecke und dem Buch von Anna Gavalda.

Felix und Luis trauen sich mit ihrem Fußball ins Fischerdorf über die Wiese zu laufen.
Dort kicken schon ein paar Jungs. Eine zaghafte Annäherung, Blicke werden ausgetauscht und binnen weniger Minuten sind sie alle zu einem großen Team zusammengeschmolzen. So ein glückliches und stolzes Lachen auf Luis Gesicht danach. Endlich!  Wir hatten ihm versprochen so oft wie möglich Gelegenheiten zu finden, in denen er mit Einheimischen spielen kann.

Wir essen ein wunderbares Mittagessen von den Damen des Hauses gekocht, ich schaue ein bisschen in die Kochtöpfe und am Ende gibt es eine sehr herzliche Verabschiedung.

Lieben Dank an Camping „Vô Tárcio“– wir empfehlen Euch gerne weiter.

 

 

 

 

 

 

 

Wir übernachten wild, wenn wir ein gutes Gefühl haben. Suchen uns einen Campingplatz, wenn wir unseren Wassertank auffüllen wollen oder eine warme Dusche brauchen. Das Bauchgefühl, die Länge der Etappen und das Wetter geben uns vor wo wir am Ende die Nacht verbringen.Am Tag versuchen wir möglichst viele kleine Abenteuer ein zu bauen. Ein besonderes Highlight ist immer noch wenn die Jungs am Steuer sitzen dürfen. Kilometerlang auf hartem Sand am Strand entlang düsen, voller Konzentration und immer mit Rücksicht darauf, dass der andere nicht länger fahren darf als man selbst. Luis und Felix können ein super starkes Team sein und innerhalb von Sekunden zu Erzrivalen werden. Sie messen sich im Dünen springen, drücken sich gemeinsam vor dem Abwasch und kämpfen um die Wahl des Hörspiels.

Ihre Beziehung wird auf der Reise einige Höhen und Tiefen erleben … und ich ein paar graue Haare mehr bekommen.

Anna Gavalda´s Buch „Zusammen ist man weniger allein“ ist ein schöner und kurzweiliger Reisebegleiter.  Für den einen oder anderen Moment hätte ich mir aber einen Titel wie „Alleine hat man mehr Platz für sich“ lieber gewünscht.

Hätte ich doch was gscheit’s gelernt

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Sep 5, 2017

Seit 2 Tagen fühle ich mich nutzlos! Oder wie soll man den Zustand der totalen Hilflosigkeit bezeichnen, wenn Highländer neben dir in Ekstase am Auto schraubt und man selbst wie ein Ochs vorm Berg steht?

Nachdem wir unser Auto aus der Werkstatt in Piriapolis abgeholt hatten, zeichnete sich schon eine leichte „In-Gang-kommen“-Schwäche auf. Ein Phänomen, welches man aus den Morgenstunden kennt, beim Auto aber weitaus schwerwiegendere Auswirkungen haben kann. „Nicht in die Pötte kommen“ kann bei unserem Bigfoot auch bedeuten, dass die zwei Batterien, vom langen rumstehen, ihren Geist aufgeben. Und wie befürchtet müssen wir nach der ersten Nacht im Camper Energie überbrücken und der geplante Tag in Montevideo gestaltet sich dann anders als gedacht.

Es zeigt sich wieder: diese Art zu leben ist einfacher zu genießen, wenn man es etwas planloser angeht. Ich hatte mich ja bereits darin geübt keine Pläne für das ganze Jahr zu machen, aber man wird sich doch noch Gedanken über die nächsten 8 stunden machen dürfen, oder? Okay, auch hier bin ich lernfähig: Go with the flow. Ich lass in Zukunft einfach alles auf mich zukommen. Eine anstrengende Lektion.

Unser 2. Tag in Montevideo:

  1. Station: Julio César Scavone Borde – Freund von Heinz

Ein sehr charmanter äußerst hilfsbereiter Mann, Typ „Alles-Könner“ und „Jeden-Kenner“. Der Schein des schlichten Einfamilienhauses trügt, verbirgt sich dahinter doch eine komplette Werkstatt und eine 80 qm große Lagerfläche. Julio ist u.a. Camper-Ausbauer und was auch immer du für ein Problem haben solltest: Julio te ayuda. Von ihm werden wir zum Solar Panel Shop geschickt, zur Batterie-Werkstatt und zum Holzhändler. Er selbst fährt ein sehr liebevoll restaurierten italienischen Leoncino aus den 60er Jahren.

  1. Station: Juan Radesca Sohn – Freund von Julio

Wo gibt es denn sowas noch heutzutage? Die Mechaniker überprüfen die Batterien und obwohl für intakt befunden, wollen sie von einem Freund lieber noch eine zweite Meinung einholen. Der Kumpel kommt auch noch allen Ernstes innerhalb von 2 Minuten, drischt mit einem Hammer auf die Lichtmaschine ein und stellt fest (dann zu unserer Erleichterung mit einem Messgerät), dass diese kaputt ist, da sie die Batterien nicht auflädt. „Kostenloser Service für Euch, weil ihr auf der Reise seid“ erklärt uns der Sohn von Juan mit einem ehrlichen Handschlag und schickt uns zu einem weiteren Freund 2 Minuten ums Eck. „Muchas gracias“ können die Kinder schon erwidern.

  1. Station: Jo Elo´s Electricidad Automotriz – Freund von Juan´s Sohn

Hier wird uns sogar noch am Freitagnachmittag geholfen. Nach 3 Stunden und einer kleinen Spanisch Lektion in technischen Begriffen, haben Joselo und Leonardo das Problem auf ihre eigene und sehr unkomplizierte Art gelöst. Es funktioniert. Es ist günstig.  An Stefans Augen habe ich ablesen können, dass er alles in seiner internen „How-to-Reparatur-Wissens-Bibliothek“ gespeichert hat. Um 21 Uhr rollen wir erleichtert und mit Enid Blytons  „5  Freunde“ auf dem Camp ein.

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die unglaublich netten und hilfsbereiten „Uruguaschos“. Auch wenn für uns Deutschen das gefühlte „kommste heut nicht, kommste morgen“ manches Mal gewöhnungsbedürftig ist, so hat uns die Südamerikanische Spontanität und Offenheit in den letzten Tagen den holprigen Start sehr erleichtert.

Hatte ich vom „Fluch oder Segen“ des reisen mit Kindern gesprochen? Eindeutig ein Segen. Luis und Felix öffnen für uns die Herzen und Türen. Ich verspreche, hier an dieser Stelle hoch und heilig, in Zukunft etwas milder mit den Kindern zu sein. Ein kurzes generöses Nicken werden sie von mir bekommen, wenn sie das nächste Mal schon morgens vor dem Frühstück eine zuckersüße Zitronenwaffel essen wollen. Zufriedene Kinder sind schlicht und ergreifend eine gute Investition.

Und jetzt nach 2 Tagen auf dem Camp, hat Stefan ein Solarpaneel auf dem Dach montiert, einen Solarladeregler sowie die dazu passende Batterie eingebaut, die Boardelektronik überholt, eine Rückfahrkamera montiert, eine Ladestation für unsere Ipads, -pods und -phone´s geschaffen und einiges mehr.

Da ich von all dem keine Ahnung habe und mich darüber hinaus auch noch gerne über das ganze „scheiß-technische-Equipment“ aufrege, sitze ich nun hier und habe ein schlechtes Gewissen und fühle mich nutzlos. So wie vor 20 Jahren als mir klar wurde, dass ich mit meiner Werbeausbildung am anderen Ende der Welt zu nix zu gebrauchen bin. Okay, ich habe meine Meinung schnell wieder revidiert, aber irgendwie bewundere ich trotzdem die „Technik-Alles-Könner“.

Ernüchterung nach der Euphorie

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Sep 2, 2017

Ankommen, am Pick-up basteln, Kabine beladen, losfahren – „Rio wir kommen“ … war unsere Vorstellung wie die Reise nach ein paar Akklimatisierungstagen starten sollte.

De Facto sitzen wir noch immer in unserer Holzhütte, im von Donner und Blitz umkämpften Paraiso Suizo. Ein Campground direkt am Meer gelegen, ca.  1 Stunde nördlich von Montevideo. Naturgewalten, wie sie in Oberbayern nicht heftiger sein könnten, haben uns die ein oder andere Nacht (zum Glück im Trockenen) senkrecht im Bett sitzen lassen. Hier ist Winter und das lässt uns Uruguay, obwohl sehr warm, deutlich spüren.

Wir wären auf dem falschen Kontinent in falscher Mission, wenn allein das Wetter unsere Euphorie schon vertreiben könnte.

„6 Liter Öl soll laut Handbuch in dem Motor sein?“ fragt der Mechaniker in Piriapolis und zeigt uns seinen 15 Liter vollen Eimer mit Altöl. Die noch fehlenden 9 Liter fallen neben den anderen 40 ausgetauschten Litern Öl nicht ins Gewicht.

Pünktlich wie die Deutschen stehen wir 2 Stunden später wieder in freudiger Erwartung bei den „Dos Hermanos“ vor der Garage. Ein letzter Blick über die Schulter des Mechanikers, das letzte Rad ist dran, gleich ist Bigfoot fertig und dann …. das Radlager eiert.

Fazit nach genauerer Untersuchung: das Radlager muss ausgetauscht werden. Weiterfahrt unmöglich! Weil das Auto aber aus Nordamerika stammt, kann „Marcelo“ (einer der Dos Hermanos) das Ersatzteil nicht vor Ort bekommen. Ernüchtert kehren wir mit dem Linienbus zum Camp zurück und ersaufen die nun zum Winter passende Stimmung.

Nach einem Tag Recherche steht fest: wir müssen das Ersatzteil aus den USA kommen lassen. Zum Glück lebt mein Bruder in San Francisco und kann uns über Amazon das 12 Kilo schwere Teil bestellen und per Fedex zuschicken. Ein Aufwand, den wir uns gerne zeitlich und budgetär erspart hätten.

Natürlich haben wir mit „aussergewöhnlichen Aufwendungen“ gerechnet, aber nicht direkt in der ersten Woche. Und die Moral von der Geschicht: noch nie haben wir so viel gemeinsam gewürfelt, gemalt, gebastelt, Schach gespielt und im Regen Sandburgen gebaut.